Konzernthemen

Zukunft gestalten – und versichern

Wenn die Natur Strom nicht nur erzeugt, sondern auch speichert: Versicherungslösungen für ein Energie-Projekt, das Windkraftanlagen mit einem Pumpspeicherwerk verbindet. Ein Gastbeitrag von Benjamin Rohloff, Risikoingenieur bei HDI Risk Consulting.

In einem bergigen Waldgebiet bei Stuttgart im Süden Deutschlands entsteht die Wasserbatterie Gaildorf. Das Besondere: Ganz nach Bedarf wird dort Strom aus erneuerbaren Energien produziert und gespeichert. Erstmals gelingt dies durch die Kombination von Windkraftanlagen mit einem Pumpspeicherkraftwerk.

Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt, für das einerseits mehrere Bauleistungs- und Montagedeckungen erforderlich waren als auch eine risikotechnische Begleitung Sicht. An diesem Projekt lässt sich gut veranschaulichen, dass Industrieversicherer stets bereit sein müssen, neue Wege zu beschreiten, wenn sie innovative Kunden mit ebenso innovativen und maßgeschneiderten Versicherungslösungen versorgen wollen. Das gilt ganz besonders für Industrieprojekte aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien.

Die Wasserbatterie in Baden-Württemberg sucht ihresgleichen: Auf einem Höhenzug bei dem kleinen Ort Gaildorf errichtet unsere Versicherungsnehmerin derzeit die dritte von insgesamt vier Windkraftanlagen. Rotoren im Durchmesser von 137 Metern sollen ab Ende dieses Jahres bis zu 42 Gigawattstunden (GWh) Strom pro Jahr aus Windkraft produzieren. Soweit erstmal freilich kein Neuland.

Gleichzeitig entsteht jedoch im nahen Tal, durch das der Fluss „Kocher“ läuft, ein Pumpspeicherkraftwerk. Dieses Kraftwerk wird mittels Druckrohrleitungen mit den vier Windkraftanlagen verbunden. Die Idee dahinter: Der von den Windkraftanlagen produzierte Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Bei einem Überangebot und damit einem entsprechend geringen Strompreis wird der Strom nicht eingespeist. Vielmehr wird die Energie gespeichert, indem das Kraftwerk das Wasser zu den Windkraftanlagen hochpumpt.

An und unter den Turmfüßen der Windräder wurden dafür Wasserbecken gebaut, die das Wasser aufnehmen. Dadurch gewinnt der Turm zusätzlich 40 Meter an Höhe. Das steigert die Leistungsfähigkeit der Windräder. Es stellte aber gleichzeitig auch besondere Herausforderungen an die Bauarbeiten. Um das Windrad in dieser Höhe aufbauen zu können, muss der Kran so dicht wie möglich daran platziert werden. Dafür wurde von unserem Versicherungsnehmer eigens ein sogenannter Kran-Rucksack entwickelt. Das ist eine Plattform auf dem Wasserbecken, auf der der Kran aufgestellt wird.

Technik wird bei Hochwasser durch Hochplateau geschützt

Was passiert, wenn das Stromangebot bei gleicher Nachfrage sinkt und der Preis entsprechend steigt? Dann schaltet das Kraftwerk von Pumpen- auf Turbinenbetrieb um. Die Turbinen werden durch das fließende Wasser angetrieben, sodass Strom erzeugt wird.

Der entscheidende Vorteil: Dank Wasserspeicher können Erneuerbare Energien auch in windarmen Zeiten genutzt werden.

Der Wasserkreislauf wird mithilfe eines weiteren Wasserbeckens geregelt, das sich im Tal nahe des Pumpspeicherwerks befindet. Das Pumpspeicherkraftwerk wird derzeit im Tal auf der rechten Flussseite des „Kocher“ errichtet. Auf der linken Fluss-Seite entsteht der Wasserspeicher für das Kraftwerk. Dieses untere Wasserbecken wird gleichzeitig als Überflutungsfläche bei Hochwasser genutzt. Denn bei Hochwasser soll eine ungesteuerte Überflutung des Flusses verhindert werden.

Statistisch gesehen ist hier alle zehn Jahre mit Überschwemmungen zu rechnen. Deswegen werden täglich die Wasserstände gemessen, damit das Gelände bei definierten Grenzwerten geräumt werden kann. Alle technischen Anlagen und Baugeräte würden dann auf einem Hochplateau gesichert. Dieses wurde im Zuge unserer Risikobegleitung und auf unsere Empfehlung hin errichtet. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit dieser Art erfordert stets Offenheit und Vertrauen von allen Teilnehmern. Nur auf diesem Weg lassen sich sicherheitstechnische Empfehlungen unserer Risiko-Ingenieure vermitteln und bei den Bauarbeiten umsetzen.

Trotz des innovativen Charakters dieses Pilotprojekts wurde die Bauleistungs- und Montagedeckung wie auch bereits bei vielen anderen Projekten dieses Versicherungsnehmers umgesetzt. Für eine bessere Transparenz wurde sie lediglich in drei Bereiche aufgeteilt: Mit der Errichtung der Windkraftanlagen und des Wasserkraftwerks sind die ersten beiden Phasen bereits in der Realisierung. Die dritte befindet sich noch im Planungsstatus: die Errichtung der Druckrohrleitungen, mit welchen die Wassermengen transportiert werden. Diese Pipeline ist sozusagen die Hauptschlagader des Projekts. Dabei wird ein neues automatisiertes Verlegeverfahren angewendet, bei dem die Rohre zusammengeschweißt und mit Flüssigboden unterzogen werden, damit sie gleichmäßig verlegt werden können.

Prototyp samt Deckungsschutz soll „in Serie gehen“

Dieser Prototyp soll bei entsprechender Nachfrage in Serie gehen und dann binnen eines Jahres gefertigt werden können. Unser Versicherungsnehmer wird die Wasserbatterie vermarkten – gemeinsam mit der Unternehmensbeteiligung Naturspeicher GmbH.

Gleichzeitig muss für die Wasserbatterie ein passender standardisierter Versicherungsschutz entwickelt werden, damit dieses moderne Erneuerbare-Energie-Projekt im Falle einer Serienfertigung auch zukünftig gut geschützt ist – egal wo diese Anlagen künftig errichtet werden. Für Industrieversicherer ist es aus meiner Sicht Herausforderung und Verpflichtung zugleich, wesentliche Risiken derartig innovativer Industrie-Projekte abzudecken. Nur so können wegweisende Projekte fertiggestellt und weiter vorangetrieben werden.

Dieser Artikel wurde bereits bei Insurance Day, London veröffentlicht (www.insuranceday.com) und die Publikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Insurance Day.