Der Fachkräftemangel ist da und er ist eine ernste Herausforderung. Nahezu alle Unternehmen unserer Branche gehen davon aus, dass sie etliche offene Stellen in den nächsten Jahren nicht besetzen können. Vor einigen Jahren haben wir dabei vor allem über die IT-Kräfte gesprochen, die schwer zu rekrutieren waren. Heute spüren wir den Rückgang von Bewerbungen in deutlich mehr Berufsbildern. Aktuell gibt es hohen Bedarf unter anderem in den Bereichen IT, Mathematik, Recht und Underwriting. Dabei müssen wir zum einen dafür sorgen, dass wir unsere eigenen Mitarbeiter:innen halten und sie gegebenenfalls auf neue Stellenprofile weiterentwickeln. Und zum anderen muss es uns gelingen, neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen.
Wir bei der HDI Group haben analysiert, wie hoch der Bedarf an neuen Talenten bis zum Jahr 2030 sein wird, wenn nach und nach die Boomer-Generation aus dem Berufsleben ausscheidet. Diese Lücke wollen wir schließen.
Wie schaffen wir das?
Die Größe der Herausforderung erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Mit ein paar Corporate Benefits hier und ein bisschen Homeoffice dort kommen Unternehmen nicht weit. Solche Dinge sind zwar wichtig, doch längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Ich spreche über Grundlegendes: Eine lebende Organisation mit kultureller Anziehungskraft. Die Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeiter:innen. Eine Stärkung des Recruitings. Und über die Vorteile von Künstlicher Intelligenz.
Kultur ist Wettbewerbsfaktor
Eine Studie von Heidrick Consulting hat eine interessante Zahl zum Vorschein gebracht: Zwei Drittel der internationalen Vorstandsvorsitzenden betrachten die Unternehmenskultur inzwischen als Haupttreiber für den Erfolg ihres Geschäfts. Erst auf Platz zwei ordneten die CEOs ihre Strategie ein. Das Ganze sah vor zwei Jahren noch anders aus. Da fiel die Unternehmenskultur nur weniger als einem Drittel der Unternehmenschefinnen und -chefs als Haupttreiber ein. Die Perspektive an der Spitze von Unternehmen hat sich also fundamental geändert.
Wir gehen noch einen Schritt weiter. Meine Meinung ist, dass es keine Strategie gibt, die losgelöst von Kultur aufgeht. Kultur ist Strategie. Wir sollten die beiden Faktoren nicht getrennt voneinander betrachten.
Die Unternehmenskultur beschreibt die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wie wir Entscheidungen treffen, wie wir Führung definieren und wie wir Spitzenleistungen erreichen. Sie ist der Boden, in dem die Saat des wirtschaftlichen Erfolges aufgeht. Kultur ist, was Menschen jeden Tag erleben. Was sie motiviert, kreativ sein lässt und was sie verbindet. Neue Chancen zu erkennen und passende Antworten auf neuartige Fragestellungen zu finden, das machen wir gemeinsam im Team.
Und genau das ist es, was die Menschen in ihrem Beruf suchen.
Inzwischen hören wir im Recruiting immer wieder einen erfreulichen Satz. Auf die Frage, warum Talente zur HDI Group wechseln wollen, geben sie als Antwort: Wegen unserer Kultur. Es scheint sich herumzusprechen, dass wir die Dinge anders machen: mit mehr Eigenverantwortung, Teamgeist, Vertrauen. In Deutschland erhalten wir mittlerweile auf offene Stellen 50 Prozent mehr Bewerbungen, als das noch vor zwei Jahren der Fall war.
Und wir sehen es im Markt: Wir haben vergangenes Jahr im Rahmen der HDI Berufe-Studie repräsentativ Menschen in ganz Deutschland gefragt, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten ihren Job gekündigt haben oder planen, dies demnächst zu tun. Und wir wollten die Gründe wissen, weshalb sie ihrem Arbeitgeber den Rücken kehren.
Gut ein Drittel der Befragten hatte zu dem Zeitpunkt den Job gekündigt oder hatte es vor. Das Interessante: Für 36 Prozent von ihnen spielten kulturelle Gründe eine Rolle. Sprich: Sie erhofften sich durch einen Wechsel des Unternehmens den Sprung in ein für sie passenderes, besseres kulturelles Umfeld.
Die Unternehmenskultur ist also ein entscheidender Wettbewerbsfaktor bei der Suche nach Talenten.
Um Menschen die Möglichkeit zu geben, die Unternehmenskultur zu spüren, schaffen wir Gelegenheiten, sich gegenseitig außerhalb des Vorstellungsgesprächs besser kennenzulernen. Von Praxistagen, bei denen die Kandidat:innen das gesamte Team kennenlernen, profitieren beide Seiten enorm. Sie können Erwartungen an den Arbeitsalltag mit der Realität abgleichen und herausfinden, ob die Chemie passt – beides entscheidend für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit.
Mitarbeiter:innen weiterentwickeln
Wir wollen Menschen gewinnen, die uns voranbringen. Daher müssen wir bei den Qualifikationen viel mehr auf Lernbereitschaft, Offenheit und Neugierde schauen. Trifft dieser „kulturelle Fit“ zu, sagt das mehr über ein Talent aus als Noten oder ein passgenaues Ausbildungsprofil. Diese Haltung findet sich mittlerweile auch in den Stellenausschreibungen wieder. Wir ermutigen Talente, sich zu bewerben, auch wenn sie nicht alle aufgezählten Kriterien erfüllen. Es kommt darauf an, welche Qualitäten und welches Engagement eingebracht werden, um sich erfolgreich im und für das Unternehmen entwickeln zu können.
Das bedeutet aber auch: mehr interne Weiterbildung. Wir setzen auf Basisqualifikationen auf und bauen diese durch geeignete Maßnahmen auf allen Leveln aus. HDI investiert gezielt in die berufsbegleitende Aktuariatsausbildung, in Entwicklungsprogramme und neue duale Studiengänge wie Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Data Science. Eine frühzeitige Suche nach Personal und vorausschauende Planung sind das A und O. Dazu gehört, Zeit für Weiterbildung fest einzuplanen, sei es on the job oder durch berufsbegleitende Zusatzausbildungen.
Schlüsselrolle Recruiting
Bei der Gewinnung von Talenten spielt unser „Recruiting Center“ eine Schlüsselrolle. Hier werden alle Aktivitäten rund um das Recruiting gebündelt. Teil dieses Teams ist auch das Active Sourcing - eine Erfolgsgeschichte, die wir sukzessive ausbauen. Die Talent Acquisition Manager sprechen gezielt Kandidatinnen und Kandidaten an. Das ist notwendig, weil Talente aus bestimmten Bereichen in der Regel nicht mehr frei auf dem Markt verfügbar sind. Gepaart mit der engen Zusammenarbeit mit den Recruitern und einem Ausbau der Employer-Branding-Aktivitäten bekommen wir viel mehr Kandidat:innen, die zu uns passen. Und: Wir bringen Geschwindigkeit in den Prozess. Vom Erstkontakt über Gespräche mit dem Fachbereich bis hin zu einem Vertragsangebot konnten wir den Prozess erheblich beschleunigen. Das ist ein Punkt auf unserer Visitenkarte, den Top-Talente an uns schätzen. Weil es mehr über unsere Kultur verrät als ein paar Sätze in einer Stellenanzeige.
Künstliche Intelligenz schließt die Lücke an Fachkräften
ChatGPT und Co. sind Teil einer Welt geworden, die zunehmend unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig ist. Künstliche Intelligenz kann helfen, die demografische Lücke an Fachkräften zu schließen. Und sie eröffnet Chancen auf neue Jobs. Wir werden von ihr profitieren, wenn Unternehmen die notwendigen Voraussetzungen in der kulturellen Weiterentwicklung schaffen.
Mit künstlicher Intelligenz kann in den nächsten Jahren die Quadratur des Kreises gelingen: eine hohe Zahl an hochqualifizierten Arbeitskräften zu ersetzen, die aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, bei gleichzeitigem Mangel an nachrückenden Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt.
Eine lernende Organisation muss den Anspruch haben, die schnellste Nutzerin von neuen Dingen zu sein. Es ist entscheidend, neue Technologien früh zu verstehen und ins Handeln zu kommen. Bei HDI haben wir daher mit Chat@HDI sehr früh eine interne ChatGPT-Alternative implementiert, die unsere Kolleg:innen bei verschiedenen Themen in ihrem Arbeitsalltag unterstützt. Eine lernende Organisation versucht nicht, einen Zustand einzufrieren, sie lässt sich auf Neues ein. Nur Unternehmen, die das tun, bleiben wach für neue Möglichkeiten – und attraktiv für Talente. Es zählen Neugierde und Kreativität, um sich stets auf der Höhe der Zeit zu bewegen. Unternehmen haben die Verantwortung, die Menschen dabei durch Lernangebote und Entwicklungsmöglichkeiten zu begleiten.
Ebenso wichtig ist eine moderne, motivierende Führung. In den vergangenen Jahren haben wir bei HDI viel investiert in die Entwicklung unserer Führungskräfte. Diese sind heute nicht mehr die besten Expertinnen und Experten ihres Faches. Sie haben andere Aufgaben. Die Führungskraft gibt Ziele vor, bietet Sparring, Coaching und Hilfe bei Herausforderungen an, motiviert Menschen und entwickelt diese weiter. Es ist die Aufgabe der Führungskräfte, den Blick nach vorne zu werfen: Welche Möglichkeiten bieten neue Technologien für den eigenen Bereich? Wie kann ich meine Kolleginnen und Kollegen entwickeln, um die Chancen von künstlicher Intelligenz bestmöglich zu nutzen?
Erst eine gute Kultur versetzt Unternehmen in die Lage zum Sprung in das neue Zeitalter der künstlichen Intelligenz. Wir können und wollen uns nicht darauf verlassen, dass einzelne Menschen in den Chefetagen schon die richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt haben werden. Chancen erkennen und passende Antworten zu entwickeln, das machen wir gemeinsam im Team. Deshalb ist klar: Es gibt keine Strategie, die losgelöst von Kultur aufgeht. Kultur ist Strategie.
Dieser Beitrag ist erschienen in der „Versicherungswirtschaft“.
Von Caroline Schlienkamp, Mitglied des Vorstands der Talanx AG. Als Arbeitsdirektorin und Sprecherin des Vorstands der HDI AG ist sie für das Personalressort der Gruppe zuständig.
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