Uwe Sievers: Das liegt teilweise am Marktumfeld, aber vor allem auch an unseren eigenen Anstrengungen. Als wir vor rund 20 Jahren in Japan begonnen haben, lag unser Fokus auf unseren europäischen Kunden, die wir auf ihrem Weg nach Japan begleitet haben – und das blieb so bis heute. Erst vor kurzem haben wir damit begonnen, auch ein Portfolio aus japanischen Unternehmen aufzubauen. Gleichzeitig waren unsere Kollegen in Europa erfolgreich darin, neue Internationale Versicherungsprogramme von Unternehmen zu gewinnen, die eine größere Präsenz auch in Japan haben. Das trägt zusätzlich zu unserem Prämienwachstum bei.
Die Gefahr von Naturkatastrophen wie Erdbeben und tropischen Wirbelstürmen ist in Japan sehr groß. Entsprechend stehen traditionelle Risiken wie Sachschäden, Betriebsausfälle und der Zusammenbruch von Lieferketten im Fokus japanischer Risikomanager und Versicherungseinkäufer. Insbesondere die Sorge vor Zusammenbrüchen von Lieferketten spielen in der Just-in-time-Fertigung, die viele unserer japanischen Firmenkunden perfektioniert haben, eine große Rolle. Allerdings: wenn wir unsere Kunden fragen, was sie als ihr größtes Risiko betrachten, stehen Schäden durch Cyberkriminalität oft weit oben auf der Liste.
Zumindest betrachten wir diesen Markt als eines der am schnellsten wachsenden Versicherungssegmente in Japan. 2016 lag die Zahl der Cyberattacken hierzulande mit rund 128,1 Milliarden Angriffen mehr als doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Etwa die Hälfte dieser Angriffe richtete sich gegen Geräte im Bereich „Internet der Dinge“. Die Attacken reichen von einfachen Streichen bis hin zu Verleumdungen, Datendiebstahl, Erpressung und Versuchen, politischen Einfluss zu nehmen. Die japanischen Unternehmen bemühen sich, Cyberrisiken so gering wie möglich zu halten. Versicherungen nehmen dabei eine wichtige Rolle im Risikomanagement ein. Die Cyberversicherung in Japan steckt zwar noch in den Kinderschuhen. Wir erwarten aber, dass der Risikotransfer im Risikomanagement unserer Kunden eine wichtige Rolle spielen wird.
Das Feedback der Medien und unserer Broker ist sehr positiv. Unser umfassender Versicherungsschutz mit signifikanter Deckungssumme bringt einen echten Mehrwert für die Kunden. Im Bereich Cyber ist es vielleicht sogar noch wichtiger als in anderen Sparten, dem Kunden zu signalisieren, dass wir als Versicherer echte Spezialisten an Bord haben, die die neuen Technologien und Risiken bewerten können. Seit kurzem haben wir einen Experten für Cybersicherheit in unserem Team. Das unterstreicht, dass wir bereit sind, in ein wachsendes Cyberportfolio zu investieren.
Wir sind entschlossen, unsere Wachstumsdynamik aufrechtzuerhalten oder sogar zu beschleunigen, indem wir unseren Vertrieb mit regionalen Brokern in Städten außerhalb Tokios stärken. Auf Basis unserer Fähigkeiten bei Internationalen Versicherungsprogrammen zielen wir zudem auf mittelständische multinationale Unternehmen. Darüber hinaus erwarten wir Wachstum durch neue Versicherungslösungen: Beispielsweise haben wir gemeinsam mit anderen Versicherern ein sehr attraktives Angebot für den wachsenden Sektor der Erneuerbaren Energien entwickelt. Und schließlich sind wir in den Bereich der Sportversicherung eingestiegen. Begonnen haben wir mit Rugby, wir sehen aber auch Wachstumsmöglichkeiten in anderen Sportarten wie Baseball und Fußball. Damit haben wir uns gut positioniert angesichts der Rugby-Weltmeisterschaft 2019 in Japan und der Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Die HDI Global SE zeichnet Geschäft in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Das Kaufhaus Shibuya 109 ist ein wahrer Shopping-Tempel. Auf zehn Etagen breiten sich hier Tokios angesagtesten Boutiquen aus – zumindest aus Sicht junger Japanerinnen, die mit ausgefallenen Frisuren und auffälligem Make-up experimentieren. Direkt gegenüber am Bahnhof treffen sich neun Bahnen des Tokioter Nahverkehrs, die mehr als zwei Millionen Menschen pro Tag in das Stadtviertel entlassen. Und zwischen diesen beiden belebten Plätzen liegt eine der berühmtesten Straßenkreuzungen der Welt. An dem Ort ist so viel los, dass alle Fußgängerampeln gleichzeitig auf grün schalten, um der Masse der Wartenden das Queren der Straßen zu ermöglichen.
Die Shibuya-Kreuzung ist ein beliebtes Fotomotiv und hat es zu einer Art Wahrzeichen der Stadt geschafft. An kaum einem anderen Ort lässt sich die Geschäftigkeit ihrer Bewohner besser im Bild festhalten als hier. Mit beinahe 38 Millionen Einwohnern ist die Metropolregion Tokio die einwohnerstärkste der Welt – und sie beheimatet das größte Industriegebiet Japans. Vor allem die Schwerindustrie hat sich hier angesiedelt. Aber auch andere Branchen zog es in die Region. Tokio ist heute Sitz zahlreicher Konzerne, die in ihrem Fach zu den führenden der Welt gehören: der Reifenfabrikant Bridgestone, der Autobauer Honda, der Elektronikhersteller Sony oder aber die Kameraproduzenten Nikon und Canon.
Und das sind nur die in der Metropolregion Tokio ansässigen Firmen. Die übrigen japanischen Weltmarken wie Toyota, Nintendo und Panasonic unterstreichen zusätzlich, warum die japanische Volkswirtschaft nach den USA und China die drittstärkste der Welt ist. So manch ein Unternehmenschef in dem Land wird sich überdies in den letzten Monaten die Hände gerieben haben über einen Boom der Wirtschaft, wie es ihn in Japan seit vielen Jahren nicht mehr gegeben hat.
Vom Wachstum der Wirtschaft profitiert auch die HDI Global SE. Zum Ende des ersten Halbjahres 2017 nahmen die Beitragseinnahmen ihrer japanischen Niederlassung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 40 Prozent zu. Die 28 HDI-Mitarbeiter haben ihren Sitz in Chiyoda, einem Bezirk im Herzen Tokios. Der Ort ist gut gewählt – den Stadtteil nennen mehrere tausend Unternehmen ihre Heimat. Und auch politisch hat Chiyoda Gewicht: Der Bezirk beheimatet das nationale Parlament, den Amtssitz des Premierministers und den Kaiserpalast.
Interessant ist dieser Markt auch deshalb, weil die Demografie in Japan inzwischen ein ernstzunehmendes Problem ist. In dem Land treffen zwei Trends aufeinander, die dafür sorgen, dass die Gesellschaft zu einer der ältesten der Welt zählt: eine seit Jahrzehnten sinkende Geburtenrate und eine sehr hohe Lebenserwartung. Forscher der Universität Tokio haben deshalb sicherheitshalber schon einmal nachgerechnet, wann in Japan das letzte Kind zur Welt kommen wird: im Jahr 3776.